Odorologie eine fast vergessene Wissenschaft
Die Odorologie ist die Lehre vom Geruch und ein Zweig der Kriminalistik und Forensik, der sich mit der Identifizierung von Personen durch ihren individuellen Geruch beschäftigt. Die Odorologie stützt sich dabei auf den Geruchssinn von Hunden.
Bereits 1910 beschrieb Friedo Schmidt in seinem Buch Verbrecherspur und Polizeihund,[2] wie an Tatorten gefundene Beweisstücke gesammelt und anschließend in Glasbehältern aufbewahrt werden sollten, weil Glas keine Gerüche annimmt. Aufgegriffen wurde diese Idee in den Niederlanden, wo 1919 die Nationale Schule für Spürhunde eröffnet und eine odorologische Methode entwickelt wurde. Dabei wurden Körpergeruchsproben mittels absorbtionsfähiger Materialien von Personen abgenommen und in Glasbehältern aufbewahrt, um mit dem Geruchssinn von Hunden vergleichende Untersuchungen anzustellen. In den 1980er Jahren setzte die niederländische Polizei erstmals Stofftücher als Geruchsträger für die Proben ein.[3]
Allgemeine Informationen zum Geruchsspurenvergleichsverfahren
Geruchsspuren gehören in der Systematik zu den Materialspuren. Materialspuren sind Rückstände eines Gegenstandes (z. B. Abriebe, Anriebe, Späne) ohne Rücksicht auf Aggregatzustände. Sie können fester, flüssiger und gasförmiger Natur sein, es kann sich um mineralogische, biologische oder chemische Spuren handeln. Bereits seit langer Zeit werden Blutspuren benutzt, um auf den Ablauf von Gewaltverbrechen zu schließen oder Personen über eine Blutgruppen- oder DNA Bestimmung zu identifizieren. Körpergeruchsproben sind dabei eine selten genutzte Form der Spur in der Kriminalistik (Odorologie). Die Geruchsprobe ist ein indirekter Beweis, ein sogenannter Indizienbeweis.
Das Geruchsspurenvergleichsverfahren dient der Prüfung, ob ein den Ermittlungsbehörden bekannter Straftäter mit einem Beweismittel, im folgenden als “Tatortspur” bezeichnet, in Berührung gekommen ist. Die Tatrelevanz eines festgestellten Kontaktes bedarf eines zusätzlichen Nachweises.
Der Geruchsspurenvergleich ist ein Hilfsmittel, mit dem ein Tatverdacht erhärtet werden kann.
Die Aussagekraft eines Geruchsspurenvergleichsverfahrens hat insbesondere im Zusammenhang mit anderen Indizien einen hohen Beweiswert. (Herrmann H. Döpke)
Im Rahmen der kriminalistischen Tatortarbeit sind zwei Möglichkeiten der Sicherung von Geruchsspuren denkbar. Zum einen könnte bei der Sicherung von Gegenstandsspuren (Tatwerkzeuge, Waffen etc. ) darauf geachtet werden, dass etwaige Geruchsspuren nicht verloren gehen zum anderen könnten aber auch Geruchskopien angefertigt werden, wenn eine gegenständliche Sicherung der Spur nicht möglich oder unverhältnismäßig erscheint.
Beim sogenannten Geruchsspurenvergleichsverfahren wird der Hund an einer Geruchsprobe riechen, die den Geruch einer Person, bsw. des Täters trägt. Täter hinterlassen Geruchsspuren am Tatort, an Gegentänden, die sie berührt haben, am Opfer etc. Diese Gerüche können gesichert werden. Wird im weiteren Ermittlungsverfahren ein Tatverdächtiger ermittelt, muss dieser eine Geruchsprobe hinterlassen. Gemeinsam mit Proben mehrerer Vergleichspersonen werden die Proben ausgelegt. Ein speziell ausgebildeter Hund riecht an der Originalprobe und dann an den vorbereiteten Vergleichsgeruchsproben. Das Verfahren verläuft analog einer Wahllichtbildvorlage oder einer Wahlgegenüberstellung, bei denen ein Zeuge einen Täter wiedererkennen soll.
Beweiswert der Geruchsspur
Als Beweiswert geben Frings/Rabe an, dass die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Zuordnung durch drei konditionierte Diensthunde 1:1,2 Millionen betrage. 1
Wird der einem Beweismittel inhärente Geruch einer Person zugeordnet, steht der direkte Kontakt
also nach einem Maßstab praktischer Lebenserfahrung fest; ob dieser Kontakt allerdings tatrelevant ist, muss durch weitere Ermittlungen festgestellt werden. Gleiches gilt für den Zeitpunkt der Entstehung dieser Kontaktspur.2
Die Rechtsprechung befasste sich bereits mit Geruchsvergleichsgutachten.3
So wertete das LG Münster den Geruchsspurenvergleich als (weiteres) Indiz für die Täterschaft des Angeklagten.4
LG Potsdam5 maß trotz beeindruckender Übereinstimmung der vom Hund entdeckten und verfolgten Spuren mit dem wahren Geschehensablauf dem Ergebnis des Hundeeinsatzes keinen eigenständigen Beweiswert zu. Doch wertete es das Ergebnis ebenfalls als weiteres Indiz. Das
LG Nürnberg 6 führte in einer Entscheidung von Ende 2012 aus:
Als alleiniges Beweismittel für die Anwesenheit des Verdächtigen am Tatort können Ergebnisse von Mantrailer-Einsätzen (Einsatz von Spurensuchhunden) nur dann anerkannt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
Es müssen ausschließlich Hunde eingesetzt worden sein, die die jeweils einschlägige PSH-Prüfungsstufe der Polizei erfolgreich absolviert haben (und konkret zu der infrage stehenden Leistung ausgebildet wurden).
Quellen:
2 Frings/Rabe, Bd. II, S. 76.
3 Vgl. dazu auch Möbius, in: Schüler/Püschel, S. 95, 100.
4 Nachweise bei Maciejewski NStZ 1995, 483, 484.
5 LG Potsdam, Urt. vom 8.3.2011- 21 Ks 3/10, unveröffentl.; ausf. zur Entscheidung Seydel, FS DGfK (2013), 447, 468 f.
6 LG Nürnberg, Urt. vom 13.12.2012 13 KLs 372 Js 9454/12, zit. nach JurionRS 2012, 38530.
7 Strenger Seydel, FS DGfK (2013), 447, 478: Auch die Hundeführerausbildung müsse wegen der „Spüreinheit“
mit dem Tier und den damit verbundenen Gefahren schriftlich dargelegt werden.
Siehe auch:
Forensic odorology scientifically validated
CNRS,Paris, 10 February 2016
Rigorous Training of Dogs Leads to High Accuracy in Human Scent Matching-To- Sample Performance
PLOS ONE | DOI:10.1371/journal.pone.0146963 February 10, 2016
Odorologie – Geruchspuren bei kriminalistischen Ereignissen
Ein kurzer Bericht über die Veranstaltung des BDK am 18.10.2012, von Rechtsanwalt Mario Seydel
Forensics research to make cadaver dogs more efficient